Pünktlich zur WM-Hysterie…

schreibe ich mal diese kleine Kurzgeschichte nieder, bevor ich sie wieder vergesse. Natürlich ist das Ganze reine Fiktion und ich würde niemanden etwas unterstellen oder sogar Gesellschaftskritik betreiben:

Es ist der 20. Juli im Zeichen der WM2006. Und wie schon bei den beiden vorangegangen Spielen bin ich auch heute auf den Ausgang der Partie Ecuador gegen Deutschland gespannt. Da ich – wie so viele – kein Ticket für das Spiel bekommen habe, will ich zumindest in Berlin dabei sein um die Feiern danach hautnah mitzuerleben. Die Busfahrt von Hamburg nach Berlin gestaltet sich einfacher als gedacht. Denn schon für den ersten Bus bekomme ich noch ein Restticket und die Stimmung im Bus ist großartig. Die meisten sind natürlich deutsche Fans, aber auch die vier Ecuadoranhänger feiern ausgiebig mit uns und sind eine willkommene Bereicherung in diesem Bus. In der Hauptstadt trennen sich dann unsere Wege. Die meisten von ihnen konnten noch ein Ticket ergattern und fahren weiter zum Olympiastadion. Der Rest von uns steigt schon am Alexanderplatz aus. Unser Plan ist es in eine nahegelegene Kneipe zu gehen und uns dort das Spiel bei einem kühlen Pils anzusehen. Nach einer kurzen Odyssee durch die Innenstadt finden wir endlich ein Lokal, das noch nicht vollkommen überfüllt ist. „Das Bier hat nur auf euch gewartet“, meint der freundliche Wirt.
Nach dem Spiel sind sich alle einig, dass es eine tolle Partie war, auch wenn sich Klinsis Truppe noch verbessern kann. Aber das wird schon, meint mein Tischnachbar, die sind ja noch jung und sollen auch mal den einen oder anderen Fehler machen, denn ein perfektes Spiel wäre ja zu langweilig. Ich stimme ihm zu. So langsam packen wir unsere Sachen und zahlen unsere letzten Biere. Der Wirt verabschiedet uns in seinem charmanten Berliner Akzent und wir ziehen von dannen um den Feierlichkeiten auf der Straße beizuwohnen. Deutsche und ecuadorianische Fans feiern miteinander, denn der Ausgang des Spiels war für beide Seiten zumindest befriedigend.
Doch plötzlich vernehme ich eine laute, metallene Stimme. Bevor ich mich versehen kann, sehe ich das sich zig Polizisten vor uns aufgebaut haben. Wie eine Wand stehen sie da mit ihren Helmen, Schutzuniformen und -schilden. Grimmig schauen sie drein. Noch einmal erklingt die metallene Stimme und ich schnappe in der allgemein auftretenden Unruhe in der Fanmasse die Worte ‚Hooligans‘ und ‚diese Richgung‘ auf. So langsam fange ich mir an Sorgen zu machen, doch die sind sofort vergessen. Inmitten dieser Wand aus Polizisten entdecke ich einen alten Schulkameraden. „Martin!“, rufe ich, doch er scheint mich nicht zu hören. „Martin! Hier drüben!“ Immer noch keine Reaktion. Ich überlege kurz und bewege mich dann drängelnd durch die Masse zu Martin hin. „Da versucht einer durchzubrechen. Haltet ihn auf“, höre ich noch und dann sehe ich nur noch den Schlagstock auf mich niedersausen.

„… Gestern Abend ist ein Fan während der WM-Feierlichkeiten tödlich verletzt worden. Nach einigen Unruhen rückte die Polizei aus und versuchte die Menge zu beruhigen, doch einige Fans, die aller Wahrscheinlichkeit nach betrunken waren, wollten sich das nicht bieten lassen und wurden handgreiflich. Einer dieser Fans wurde dabei mit einem einzigen Schlag von einem Wachtmeister so unglücklich auf den Schädel getroffen, dass er einen Schädelbasisbruch erlitt und kurze Zeit später im Krankenhaus verstarb. Die weiteren Nachrichten des Tages…“


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